Veranstaltung: | 38. Landesdelegiertenkonferenz Brandenburg |
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Tagesordnungspunkt: | 7.1. V-Anträge (Verschiedenes) |
Antragsteller*in: | LAG Frauen- und Geschlechterpolitik (dort beschlossen am: 22.10.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.10.2016, 22:09 |
V1: Weil 2016 ist: Neue Dynamik in die Gleichstellungspolitik bringen und die Beteiligung von Frauen weiterhin konsequent fördern!
Antragstext
Vor 30 Jahren haben die GRÜNEN die Frauenquote von 50% beschlossen und damit
einen Meilenstein in der Gleichstellungspolitik gesetzt. Andere Parteien sind
mit Quotenregelungen oder Quoren nachgezogen. Es ist zu beobachten, dass in
allen Parlamenten und kommunalen Vertretungen der Frauenanteil dort besonders
hoch ist, wo Parteien mit solchen Regelungen stark sind. Auffällig ist weiterhin
die Beobachtung, dass der Frauenanteil in der Politik zur kommunalen Ebene hin
kontinuierlich abnimmt. So beträgt der Frauenanteil im Bundestag 37,1%, im
Landtag Brandenburg zu Beginn der 6. Wahlperiode 36,4%, bei den
Kreistagsmandaten 25% und in den Gemeindevertretungen gerade einmal 23%.
Kritisch sehen wir auch, dass der Anteil weiblicher Landtagsabgeordneter in
Brandenburg nicht steigt, sondern in den letzten 12 Jahren eher gefallen ist: Er
betrug in der 4. Wahlperiode (2004-2009) 44,3%, in der 5. Wahlperiode (2009-
2014) 39,8% und in den 6. Landtag Brandenburg wurden gerade noch 36,4% Frauen
gewählt. Dadurch, dass bei den Koalitionsfraktionen für 3 Männer 3 Frauen
nachgerückt sind, konnte sich der Wert wieder bei 39,8% stabilisieren.
Was die Gleichstellung angeht, steht Brandenburg in vielen Bereichen im
Bundesvergleich nicht schlecht da: Die Erwerbsbeteiligungsquote von Frauen ist
mit 73% hoch und die geschlechtsspezifische Lohnungleichheit („gender pay-gap“)
mit 6% niedrig. Aber: Unter den Teilzeitbeschäftigten sind drei Viertel Frauen,
viele unfreiwillig, weil sie gerne mehr arbeiten würden. In Brandenburg legen
mittlerweise 46% der Mädchen gegenüber 35% der Jungen das Abitur ab. Aber: An
den Hochschulen sind nur 23% der Professuren weiblich besetzt. Trotz der im
Schnitt besseren Schulbildung entscheidet sich weiterhin fast die Hälfte junger
Frauen für nur 10 Ausbildungsberufe, darunter viele der sogenannten typischen
„Frauenberufe“ mit schlechter Bezahlung und geringen Aufstiegschancen
Auch die medizinische Versorgung muss geschlechtergerechter werden. Es gibt
zahlreiche geschlechterspezifische Unterschiede hinsichtlich der Gesundheit und
dem Gesundheitsverhalten, die sich auch auf die Diagnostik und Behandlung
auswirken. Frauen haben zum Beispiel ein höheres Sterblichkeitsrisiko nach einem
Herzinfarkt und Männer nehmen seltener an Früherkennungsuntersuchungen teil.
Trotzdem haben sich die Erkenntnisse der Gendermedizin nicht wirklich etabliert.
Wir müssen auch selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, dass es uns auch 30 Jahre
nach Einführung der Frauenquote als Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch nicht
gelungen ist, einen annähernd hälftigen Anteil von Frauen bei den Mitgliedern zu
erreichen. Mädchen und Frauen für Politik zu interessieren und zu
sensibilisieren und ihnen die Bedeutung der Beteiligung an Entscheidungsgremien
in Wirtschaft und Politik aufzuzeigen, bleibt weiterhin eine dringliche Aufgabe.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen zwar bundesweit mit einem Frauenanteil von 38,6%
knapp vor der LINKEN auf Platz 1, in Brandenburg befinden wir uns aber mit 37,4%
auf Platz 2 (LINKE 43,7%). Diese Zahlen können nicht zufrieden stellen. Genauso,
wie es Ziel unseres Landesverbandes ist, die positive Mitgliederentwicklung
weiter voranzutreiben, so muss es auch ein prioritäres Ziel sein, den
Frauenanteil in unserer Partei weiter auszubauen.
Mit dem Aufstieg der AfD auch in Brandenburg sind reaktionäre Strömungen aktuell
im Aufwind. Wir müssen wieder häufiger heftige Reaktionen des neurechten Milieus
gegen den sogenannten „Genderwahn“, gegen die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft erleben. Frauen in Führungspositionen
werden als „Quotenfrauen“ verächtlich gemacht, während Männer ihre Positionen
selbstverständlich aus Qualitätsgründen innehaben. Es wird ein traditionelles
Familienbild mit der Ernährerrolle des Mannes nach dem Vorbild der fünfziger
Jahre der alten Bundesrepublik propagiert, welches gerade in Brandenburg den
Erfahrungen der Frauen mit jahrzehntelangem selbstverständlichen Zugang zu
Arbeit und Kinderbetreuung zuwiderläuft. Durch die Forderung nach einer
Steigerung der „Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ und „Mehr Kinder
statt Masseneinwanderung“ werden antiemanzipatorische und rassistische
Ressentiments miteinander verschränkt.
Dabei wollen wir auch in unseren Reihen verstärkt auf Intersektionalität achten.
Wir wollen uns weiter dafür öffnen, über unterschiedliche Diskriminierungsformen
und ihr Zusammenwirken zu sprechen. Dies schließt Frauen mit Behinderungen
ebenso ein wie Inter- und Transpersonen, langzeitarbeitslose alleinerziehende
Mütter und geflüchtete Frauen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als die Partei, für die gleichberechtigte Teilhabe und
Machtverteilung konstitutiv waren,
- werden allen Versuchen, Frauen und Mädchen an der freien Entfaltung ihrer
Talente und Fähigkeiten zu hindern, sie auf ein traditionelles Frauen- und
Familienbild zu beschränken und ihre volle hälftige Repräsentanz in
Entscheidungsgremien von Politik und Wirtschaft zu verhindern, eine eindeutige
Absage erteilen
- werden der antiemanzipatorischen Propaganda der Neuen Rechten gegen Frauen,
LSBTTIQ, Menschen mit Behinderungen, Migranten*innen, Langzeitarbeitslose
entschiedenen Widerstand entgegensetzen
- werden Initiativen zur hälftigen Repräsentanz von Frauen bei Wahlen im Sinne
eines Parité-Gesetzes unterstützen
- werden Programme zur Förderung von Frauen in Bereichen mit Unterrepräsentanz
konsequent unterstützen
- begrüßen das Leitbild der Landesregierung Brandenburg „Gleiche Chancen für
Frauen und Mädchen“
- fordern hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte in allen neuen
Kreisen und Hauptverwaltungen auf Gemeindeebene mit mindestens 50% der vollen
wöchentlichen Arbeitszeit (in Kreisen 100%)
- werden mit den Wirtschaftsverbänden, der Agentur für Arbeit, den Kammern und
Gewerkschaften an Konzepten für mehr Lohngerechtigkeit arbeiten
- fordern eine auskömmliche Finanzierung von Frauen- und LSBTTIQ-Verbänden,
Frauenhäusern und Gewaltschutzmaßnahmen
- setzen sich für eine geschlechtergerechte Sprache ein
- unterstützen die Weiterentwicklung der Gendermedizin im Land Brandenburg
Innerparteilich wollen wir:
- bei der Gewinnung neuer Mitglieder gezielt Frauen ansprechen und den
Frauenanteil in unserer Partei bis 2020 auf 45% erhöhen
- Sitzungs- und Diskussionskultur auf verschiedenen politischen Ebenen kritisch
betrachten, um Zugangshürden für Frauen abzubauen
- Formate entwickeln, um Frauen und Mädchen für Politik zu interessieren
- insbesondere im kommunalen Bereich Strategien zur Frauenförderung und
Frauengewinnung entwickeln
- unser seit 2013 laufendes erfolgreiches Frauenmentoring-Programm verstetigen
und finanziell besser ausstatten
- die Gründung von Frauenstammtischen unterstützen
- die öffentlichkeitswirksame Auszeichnung von besonders engagierten Frauen
(„grüne Gründerin“, „Aktivistin des Monats“ etc) voranbringen
- Sexismus auch innerhalb unserer Partei identifizieren und dagegen vorgehen
Weil 2016 ist! Weil wir mehr Teilhabe von Frauen wollen und den rollback von
Geschlechterrollen nicht hinnehmen werden!
Änderungsanträge
- Ä1 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä2 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä3 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 30.10.2016), Eingereicht)
- Ä4 (Mechthild Rünger (KV Potsdam), Eingereicht)
- Ä5 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä6 (Mechthild Rünger, KV Potsdam, Eingereicht)
- Ä7 (Mechthild Rünger, KV Potsdam, Eingereicht)