Veranstaltung: | 38. Landesdelegiertenkonferenz Brandenburg |
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Tagesordnungspunkt: | 3 Leitanträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 24.10.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.10.2016, 20:26 |
L2: Bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen – sozial gerecht und zukunftssicher!
Antragstext
Steigende Mieten und knapper werdender bezahlbarer Wohnraum belasten nicht mehr
nur die Landeshauptstadt und die Gemeinden im Berliner Umland. Wohnraum für
Menschen mit geringeren Einkommen, für Menschen im Leistungsbezug, Familien,
Ältere, Behinderte, Studierende oder für Geflüchtete ist auch in Brandenburg
immer schwieriger zu finden. Bündnis 90/Die Grünen sehen daher dringenden
Bedarf, mehr sozial verträglichen Wohnraum mit tragbaren Mieten zu schaffen.
Dabei wollen wir eine soziale Mischung der Bevölkerung in den Städten und
Gemeinden im ganzen Land.
- Das Wohnungsbauvermögen des Landes Brandenburg und das Landesprogramm für
den sozialen Wohnungsbau (MietwohnungsbauförderungsR) wollen wir im
Bereich Neubau von Mietwohnungen deutlich aufstocken. Die Fertigstellung
neuer Wohnungen muss mit der Entwicklung der Anzahl von Haushalten Schritt
halten. Die Richtlinie der Landesregierung zur Förderung des sozialen
Wohnungsbaus (MietwohnungbauförderungsR) wollen wir überarbeiten und
entbürokratisieren.
Kommunale Wohnungsunternehmen sollen Wohnungen mit bezahlbaren
Nettokaltmieten schaffen, die an die Bewirtschaftungskosten gekoppelt und
nicht markt- sondern sozialorientiert gestaltet sind.
Für den Bau von dauerhaft gebundenen Sozialwohnungen sollen nicht nur
Darlehen sondern auch Baukostenzuschüsse gewährt werden, um Miethöhen im
Bereich des jeweiligen KdU-Satzes der Kommunen (Kosten für Unterkunft und
Heizung) zu gewährleisten. Wir wollen auch mehr bezahlbaren Wohnraum für
mittlere Einkommen schaffen und den Bau von Wohnungen bezuschussen, deren
Miethöhen bis zu maximal zwanzig Prozent über dem jeweiligen KdU-Satz der
Kommunen liegen können. Die Höhe des Baukostenzuschusses ermittelt sich
aus den vom Bundesamt für Bauwesen veröffentlichten Baukosten abzüglich
des durch die o.g. Mieteinnahmen zu refinanzierenden Kredits abzüglich
weiterer Förderungen (KfW, ILB, etc.), die Tilgung darf ein Prozent nicht
übersteigen.
In Regionen, die der Mietpreisbremse unterliegen, sollen kommunale und
genossenschaftliche Wohnungsbauunternehmen in die Förderkulisse
aufgenommen werden, auch ohne dass sie dafür innerstädtische
„Vorranggebiete Wohnen“ und „Konsolidierungsgebiete der Wohnraumförderung“
ausweisen. Wir wollen auch private Eigentümer*innen, die nur eine
Mietwohnung schaffen, in den Förderungskatalog aufnehmen. Die
Belegungsbindung muss dauerhaft sein.
Das Land muss die Kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bei der Planung und
Durchführung von Bauvorhaben besser beraten und unterstützen. Wo keine
kommunalen Gesellschaften bestehen, soll das Land die Gründung solcher
Wohnungsbaugesellschaften fachlich und finanziell befördern. Sollte die
Bautätigkeit der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaften weiter stagnieren,
wollen wir die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft vorantreiben.
Die Übernahme von Sozialwohnungen durch Kommunale
Wohnungsbaugesellschaften wollen wir prüfen.
Wir wollen die Eigeninitiative der Menschen stärken und die Gründung von
Genossenschaften und Baugemeinschaften vorantreiben. Die Unterstützung des
Gründungs- und Moderationsprozesses muss Teil der Förderung sein.
Inklusives und Mehrgenerationenwohnen sowie Projekte mit Geflüchteten
sollen besonders unterstützt werden.
Kommunen, Land und Bund sind gefordert, Grundstücke für sozialen
Wohnungsbau zu angemessenen Konditionen zur Verfügung zu stellen,
vorrangig auf Erbpachtbasis. Für Projekte von Genossenschaften,
Wohnungsbaugesellschaften oder Baugemeinschaften muss vom
Versteigerungsprinzip zugunsten der sogenannten „Konzeptvergabe“
abgewichen werden.
Für öffentlich geförderte Neubau- und Sanierungsvorhaben müssen
zukunftssichere Standards gelten. Das betrifft die energetischen
Qualitäten (Energiehausplus im Neubau), den Schallschutz und
selbstverständlich die Belichtung und Belüftung ebenso wie die Verwendung
von gesundheitlich unbedenklichen, ressourcenschonenden und nachhaltigen
Baumaterialien und Bautechniken. Grundrisse müssen so flexibel sein, dass
sie Raum für unterschiedliche Bedürfnisse lassen. Wohnungen sollen für
alle Lebensphasen kompatibel, flexibel und anpassbar geplant werden.
Die Sanierung bestehender Häuser und Gebäudekomplexe muss Vorrange vor
neuen Bauvorhaben haben, die Nachverdichtung in Innenstädten Vorrang vor
der Ausweisung neuer Baugebiete. Potentiale durch Aufstockungen,
Dachausbauten und Konversion von Gewerbeflächen sollen für die Schaffung
von preiswertem Wohnraum genutzt werden und so Entmischungstendenzen
entgegenwirken. Wenn neue Stadtquartiere entstehen, wollen wir sozial
gemischte Quartiere mit hohen ökologischen Standards und guter
Infrastruktur. Anwohner*innen sollen von Anfang an der Planung beteiligt
werden.
Die Siedlungsentwicklung soll grundsätzlich nur im Innenbereich der Städte
und Gemeinden stattfinden und darf sich nicht allein auf das Berliner
Umland konzentrieren. Der Erhalt von Grün- und Frischluftschneisen rund um
die Hauptstadt ist zu gewährleisten. Wir wollen Städte und Dörfer auch im
berlinferneren Raum lebendig und attraktiv halten und sehen auch im
weiteren Metropolenraum Zuzug als Chance zum Erhalt und zur
Weiterentwicklung der Infrastruktur.
Wohnraumförderung muss nachhaltig sein. Deshalb setzen wir uns auf
Bundesebene für eine „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ ein, damit mit Hilfe
von Zuschüssen und steuerlicher Extra-Förderung dauerhaft und nachhaltig
bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.
Seit der Föderalismusreform 2006 gilt die alleinige Zuständigkeit der
Länder für den Sozialen Wohnungsbau, 2020 wird die Bundesförderung enden.
Wir streben eine Grundgesetzänderung und eine Aufhebung des
Kooperationsverbots an, damit der Bund die Länder in Zukunft weiterhin
beim Sozialen Wohnungsbau unterstützen kann.
Die Fehlentwicklungen der letzten fünfundzwanzig Jahre müssen
aufgearbeitet werden. In Zukunft dürfen Sozialwohnungen dem Wohnungsmarkt
nicht mehr verloren gehen. Es ist notwendig, die Fördersysteme radikal
umzugestalten.
Begründung
Das Land Brandenburg hat den sozialen Wohnungsbau über viele Jahre hinweg stark vernachlässigt. Die Gesamtzahl aller Wohnungen mit Mietpreis und Belegungsbindung, sogenannter Sozialwohnungen, lag 2015 nur noch bei 54.100 gegenüber 76.400 im Jahr 2012. In den Jahren 2015 und 2016 wurde der Neubau von jährlich 405 Wohnungen gefördert.
Parallel dazu steigen die Mieten im Berliner Umland und in Potsdam dramatisch an. Die Mietpreisbremse konnte den Anstieg der Mieten nicht verhindern, Mieten von 10 € nettokalt sind schon heute keine Seltenheit mehr. Menschen im Leistungsbezug oder mit niedrigen Einkommen, Studierende, Familien, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Wohnungslose oder Geflüchtete können sich das nicht leisten und haben auf dem Wohnungsmarkt zunehmend weniger Chancen. Wenn in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausfallen, wird sich das Problem in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt weiter verschärfen.
Bei einem Leerstand von etwa 10% in den Städten des weiteren Metropolenraums darf nicht nur der Neubau im Berliner Umland zur Lösung der Wohnungsnot herangezogen werden. Allgemein muss das Wachstum der Region gerecht verteilt werden. Voraussetzung sind attraktive Bahnverbindungen, der Erhalt und Ausbau einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur, eine bessere Präsentation Brandenburger Städte als Wohnstandort in Berlin und die proaktive Integration von Geflüchteten.
Zwar hat die Landesregierung die Förderrichtlinien angepasst, für die Schaffung von Wohnraum für Geflüchtete zusätzlich Zuschüsse von 350 € je qm Wohnfläche eingeführt und die zur Verfügung stehenden Mittel deutlich erhöht (2015: 40 Mio. €, 2016 100 Mio. €), doch hat das bisher nicht zu einem sichtbaren Erfolg geführt. Im Zeitraum 1.1.2016 bis 30.6.2016 wurden lediglich in den Gemeinden Beeskow und Seelow Anträge auf Mietwohnraumförderung gestellt. Von insgesamt beantragten 28 Wohneinheiten sollen dort 22 Wohneinheiten mietpreis- und belegungsgebunden realisiert werden.
Darüber hinaus ist die ausufernde und unkontrollierte Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehrsinfrastruktur ein zentrales Problem der Siedlungsentwicklung. Nicht nur, dass hier wertvolle und für die regionale Versorgung und Erholung notwendige landwirtschaftliche Flächen und Wald verloren gehen, sondern das Thema der Aufrechterhaltung der sozialen und technischen Infrastruktur wird bei der Ausweisung neuer Baugebiete nicht hinreichend berücksichtigt. Wie vom Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden in einem deutschlandweiten Forschungsprojekt nachgewiesen, lässt sich der absehbare Siedlungsbedarf in den Innenbereichen der Städte und Gemeinden decken.