Veranstaltung: | 38. Landesdelegiertenkonferenz Brandenburg |
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Tagesordnungspunkt: | 3 Leitanträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 26.10.2016) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.10.2016, 20:15 |
L1: Klimaverpflichtungen ernst nehmen - Kohleausstieg einleiten
Antragstext
Sozialverträglichen Kohleausstieg auf Bundesebene einleiten
Ohne einen Kohleausstieg können keine Klimaziele erreicht werden. Das gilt im
besonderen Maße für die Braunkohle als klimaschädlichsten Energieträger
überhaupt. Während die Braunkohle 2014 nicht einmal ein Viertel der deutschen
Stromproduktion erbrachte, war sie für über die Hälfte der CO2-Emissionen aus
dieser Stromproduktion verantwortlich. Insgesamt befinden sich sieben deutsche
Kraftwerke unter den europaweit zwölf größten CO2-Schleudern, darunter die
Lausitzer Kraftwerke Boxberg, Jänschwalde und Schwarze Pumpe. Auch mit
“modernster” Technik stößt jedes Kohlekraftwerk enorme Mengen an
klimaschädlichem Kohlendioxid aus. Ohne einen schrittweisen Kohleausstieg in den
nächsten 20 Jahren wird daher keines der deutschen und auch keines der
europäischen Klimaziele erreichbar sein. Als Brandenburger Landesverband setzen
wir uns daher mit aller Kraft dafür ein, dass der Kohleausstieg im Wahlkampf
einer unser Kernpunkte wird. Darüber hinaus ist aus unserer Brandenburger Sicht
ein Kohleausstiegsfahrplan ähnlich dem Fahrplan zum Atomausstieg Voraussetzung
für eine Regierungsbeteiligung nach der kommenden Bundestagswahl. Konkret
fordern wir:
1) Neue Tagebaue im Bundesberggesetz verbieten
Als Erstes sollen im Bundesberggesetz die Erschließung neuer Tagebaue sowie neue
Enteignungen und Umsiedlungen ausgeschlossen werden. Zudem wird die schrittweise
Beendigung der Braunkohleförderung geregelt.
2) CO2-Budgets für fossile Kraftwerke einführen
Besonders dreckige Kohlekraftwerke sollen sofort vom Netz genommen und für alle
anderen degressive CO2-Budgets vorgegeben werden, damit auch diese Schritt für
Schritt stillgelegt werden. Damit bleibt den Unternehmen eine gewisse
Flexibilität, um einen strukturierten Ausstiegspfad gehen zu können.
3) Umwelt- und Gesundheitsschutz durchsetzen
Die Privilegierung der Kohleverstromung im Immissionsschutzrecht soll aufgehoben
werden. Dazu wird das Immissionsschutzrecht novelliert, die Einhaltung von
strengen Emissionsgrenzwerten für krebserzeugende Stoffe sichergestellt und die
schrittweise Einführung der US-Grenzwerte für Quecksilber eingefügt.
4) Finanzierung der Folgelasten sichern
Um die Finanzierung aller Rekultivierungs- und Nachfolgelasten nach Beendigung
des Braunkohletagebaus abzusichern, wollen wir die in den Braunkohleunternehmen
die zu diesem Zweck bestimmten Rückstellungen in einer öffentlich-rechtlichen
Stiftung sicherstellen. Die Finanzmittel der Stiftung werden durch eine Abgabe
auf die bis zur endgültigen Stilllegung der Tagebaue noch abgebaute Braunkohle
ergänzt. Finanzvolumen der Stiftung sowie Abgabenhöhe werden auf Basis eines
unabhängigen Gutachtens über die Kostenschätzung aller Rekultivierungs- und
Nachfolgelasten festgelegt.
5) Sozialkosten finanzieren
Zwar liegt der größte Teil des Abschieds von der Kohle bereits hinter uns.
Trotzdem sind noch immer tausende Arbeitnehmer*innen in der Kohleindustrie
beschäftigt. Wir wollen den direkt Betroffenen einen sozialverträglichen Umstieg
ermöglichen. Hier gilt es in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften sanfte
Übergänge zu ermöglichen. Ver.di hat dazu bereits einen ersten Vorschlag
vorgelegt.
6) Begleitgremium einrichten
Als Begleitgremium des Ausstiegsprozesses wird eine pluralistisch
zusammengesetzte „Kommission Kohleausstieg“ eingesetzt. Der Diskurs soll dazu
dienen, jahrelange Grundsatzkonflikte zu vermeiden und stattdessen zu einer
klaren und planungssicheren Zukunftsperspektive für alle Beteiligten zu kommen.
Als Vorbild können die ebenfalls im breiten Konsens erzielten Ausstiege aus der
Atomkraft und der Steinkohle sowie die Suche nach einem Endlager für Atommüll
dienen.
7) Regionalen Ausstieg europäisch unterstützen
Parallel zum nationalen Kohleausstieg gilt es, den europäischen Emissionshandel
wieder wirksam zu machen. Dazu sind die bereits heute überschüssigen 2 Mrd. CO2-
Zertifikate sowie die durch den Kohleausstieg zusätzlich freiwerdenden CO2-
Zertifikate vom Markt zu nehmen, um einen weiteren Preisverfall zu verhindern.
Bis zur Umsetzung der Neuausrichtung des EU-Emissionshandels wollen wir, dem
Beispiel Frankreich folgend, einen Mindestpreis von zunächst 20 Euro je Tonne
CO2 einführen. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen zusätzlich zu den
existierenden Regional- und Kohäsionsfonds genutzt werden, um den Strukturwandel
in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen abzufedern, Human- und
Infrastrukturressourcen in den Regionen zu binden und Alternativen zu fördern.
Hierbei sind Regionen zu bevorzugen, deren Wirtschaftskraft unter dem EU-
Durchschnitt liegt.
Den Strukturwandel auf Landesebene gestalten
Selbstverständlich wird der Ausstieg aus der Kohle nicht ohne Spuren an den
betroffenen Regionen, insbesondere auch an der Lausitz, vorbei gehen. Je früher
gerade von politischer Seite dieser Wandel, der ja bereits seit längerem läuft,
gestaltet wird, desto strukturierter kann er gestaltet werden. Verschließt
jedoch die Brandenburger Landesregierung weiter die Augen vor der Realität,
droht ein hartes Ende der Kohleregion. So hat beispielsweise EPH nicht ohne
Grund seine Zusagen zur Beibehaltung von Tarifverträgen und Gewinnen auf
lediglich fünf Jahre begrenzt. Von der Landesregierung fordern wir:
1) Sicherstellung der Rücklagen
Solange die für die Finanzierung aller Rekultivierungs- und Nachfolgelasten
gebildeten Rücklagen auf Bundesebene noch nicht gesichert wurden, muss die
Brandenburger Landesregierung die Rückstellungen von EPH beim Landesbergamt
sicherstellen.
2) Lausitzfonds
Zugleich braucht es aus Bündnisgrüner Sicht in den betroffenen Regionen einen
Fonds für eine präventive Strukturpolitik sowie zur Vermeidung von sozialen
Härtefällen.
3) Koordinierende Plattform
Es gibt bereits vielfältige Initiativen in der Lausitz, die den Strukturwandel
vorantreiben wollen: die Lausitzer Perspektiven, die Innovationsregion Lausitz
GmbH, Strukturwandel Jetzt, uvm. Alle beklagen, dass es keine koordinierende
Plattform für ihre Anliegen gibt. So sind beispielsweise die für den
Strukturwandel beim Bund bereits eingestellten Mittel nicht abgeflossen, weil es
von Seiten Brandenburgs an Koordinierung fehlte.
4) Ein übergeordnetes Konzept
Grundlage muss ein Konzept für die Lausitz sein. Dabei halten wir es für
unabdingbar, dass sich die sächsische und die brandenburgische Landesregierung
zusammensetzen und ein Konzept für die gesamte Lausitz entwerfen. Da sowohl der
Ausstieg als auch der Strukturwandel eine grenzüberschreitende Aufgabe
darstellen, gilt es den polnischen Teil der Lausitz über die dortigen
Wojewodschaften bei der politischen Planung und Gestaltung einzubinden, um den
Ausstieg aus der Braunkohle sowie die begleitende Gestaltung des Strukturwandels
abzusprechen und gemeinsam zu koordinieren.
Am Beginn muss eine Analyse stehen für welche anderen zukunftsfähigen
Wirtschaftszweige die Infrastruktur und das Know-how der Braunkohleindustrie
noch eingesetzt werden kann, was in der Lausitz neben der Braunkohle bereits
besteht und gestärkt werden kann und was bisher von der Braunkohle behindert
wurde und jetzt durchstarten kann. Die mit den vielen qualifizierten und
erfahrenen Fachkräfte in der Region bestehenden Kompetenzen müssen entschlossen
als Standortvorteil für die Ansiedlung von Anlagen- und Ausrüstungsherstellern
aus dem Bereich der Energiewende genutzt werden, um einen Großteil der gut
bezahlten Industriearbeitsplätze in der Region zu halten. Dafür muss die bereits
bestehende Vielfalt von mittelständischen und kleinen Unternehmen gepflegt und
erweitert werden. Der Tourismus kann ebenfalls auf den Strukturwandel
zugeschnitten werden. Zudem muss der Bildungs-, Forschungs- und
Wissenschaftsstandort auf diese Prozesse profiliert werden. Schließlich müssen
die infrastrukturellen Mängel im Bereich Internet und Mobilität, wie die
Eingleisigkeit zwischen Lübbenau und Cottbus, beseitigt werden.
Begründung
Die Klimakrise ist die größte Gefahr der Menschheit. Angetrieben durch diese Handlungsaufforderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen verabschiedete die Weltgemeinschaft vor einem Jahr in Paris ein neues Klimaabkommen, in dem sich alle Staaten dazu verpflichten, alles dafür zu tun, dass die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsisus, wenn nicht gar 1,5 Grad bleibt. Seit dem 04. November ist der Pariser Klimavertrag auch offiziell in Kraft. Von dem darin verankerten Umsetzungsziel, dass ab Mitte der zweiten Jahrhunderthälfte weltweit – und ab 2050 in den Industrieländern - nicht mehr Treibhausgase emittiert werden, als wieder absorbiert werden, ist man jedoch noch meilenweit entfernt.
Denn der von Hendricks in Paris noch hoch angepriesene Klimaschutzplan 2050, ist nach den massiven Streichungen nicht mehr als heiße Luft. So wurden jegliche konkreten Zielvorgaben für die einzelnen Sektoren vom Wirtschaftsministerium und Kanzleramt herausgestrichen. Besonders intensiv war der Rotstift bei den ursprünglichen Vorschlägen zum Kohleausstieg. Mit der Deckelung der erneuerbaren Energien im Sommer dieses Jahres hatte die schwarz-rote Bundesregierung zudem bereits die deutsche Vorreiterrolle bei den erneuerbaren Energien aufgegeben.
Wenn Deutschland seinen Beitrag zur Rettung der Welt beitragen will, dann muss das Thema Klimaschutz eines der Top Prioritäten der nächsten Regierung werden. Ansonsten wird Deutschland bereits sein Klimaziel für das Jahr 2020 – die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren – krachend verfehlen. Die bereits erreichte Senkung um 27 Prozent wurden zu großen Teilen durch den Zusammenbruch der DDR-Industrie erreicht. Darauf darf sich nicht ausgeruht werden. Um aber das 40-Prozent-Ziel in vier Jahren zu erreichen, müssen wir bis dahin nochmal mindestens 150 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr einsparen. 2020 dürfen wir dann höchstens noch 750 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Da selbst die Bundesumweltministerin verdeutlichte, dass die derzeit regierenden Fraktionen der CDU/CSU und SPD das nicht leisten können oder wollen, stehen wir Bündnisgrünen hier ganz besonders in der Pflicht. Es braucht uns Bündnisgrünen um das Thema wieder auf das politische nationale Tableau zu heben.
An dem Vattenfall-Verkauf und ebenso an den Umstrukturierungen bei RWE wird deutlich, dass selbst die konventionelle Energiewirtschaft fest davon ausgeht, dass die Stromversorgung in Deutschland zunehmend auf erneuerbaren Energien basieren wird. Unterstützt werden müssen die erneuerbaren Energie durch kleinere, effiziente und flexibel einsetzbare Gas- und Biogas-Kraftwerke sowie zunehmend auch durch Speicher. Verbunden werden müssen die vielen, dezentral eingesetzten Anlagen über ein leistungsfähiges Stromnetz, das den Strom schnell und effizient vom Erzeugungs- zum Verbrauchsort transportiert. Strombedarf und -erzeugung werden über eine intelligente Steuerung jederzeit und an jedem Ort zielsicher aufeinander abgestimmt. In diesem umweltfreundlichen und flexiblen System gibt es schlicht keinen Platz für Kohlekraftwerke. Sie sind nicht nur zu dreckig, sondern auch zu unflexibel, um auf den schnell wechselnden Strombedarf reagieren zu können.
Änderungsanträge
- Ä1 (Axel Vogel, KV Barnim , Eingereicht)
- Ä2 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä3 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä4 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä5 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä6 (Grüne Jugend Brandenburg (dort beschlossen am: 07.11.2016), Eingereicht)
- Ä7 (Heide Schinowsky (KV Potsdam), Eingereicht)